Schweinefreilandhaltung
ein historischer Überblick

 

Wie alle Haustierrassen wurden auch Schweine in der Vergangenheit im Freiland gehalten. Über viele Jahrhunderte bewegten und ernährten sich die Tiere, beaufsichtigt von Hirten, weitgehend frei im Wald und auf den Weiden (Ten Cate 1972). Im Herbst, zur Eichel- und Bucheckernmast, wurden die Wälder für das Vieh meist gesperrt, nur noch Schweine durften gegen Entgelt eingetrieben werden, denn die Ausmast der Schweine war von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die traditionelle Schweinehutung.

 

Vor- und Frühgeschichte


Altägyptische Wandzeichnung um 1450 v.Chr. 
(Wilkinson 1878, zit. in Dannenberg 1990)

1: Sau mit Ferkeln; 2: Jungschweine; 
3a: vermutlich Saat eintretende Schweine;
 3b: Schweinehirt mit Knotenpeitsche und Schlinge

 

In den meisten vor- und frühgeschichtlichen Kulturen nahm das Schwein in der Fleischerzeugung den ersten Platz ein. Knochenfunde aus Mesopotamien belegen, daß Schweine zusammen mit Schafen und Ziegen noch weitaus häufiger als Rinder waren (Hilzheimer 1934, zit. in ten Cate 1972). Im alten Ägypten diente das Schwein außer zur Fleischerzeugung auch zur Einbringung des Saatgutes auf den Feldern. Selbst in den Werken Homers finden sich teilweise ausführliche Hinweise auf die Schweinehaltung und die Eichelmast mit Herdengrößen von über 1000 Tieren (ten Cate 1972). Bei den Römern setzten sich diese Traditionen fort, insbesondere in Gallien und Norditalien war die Schweinehaltung verbreitet und diente zur Versorgung Roms. Mit Diocletian (243-316 n.Chr.) gelangte sogar ein ehemaliger Schweinehirt auf den Kaiserthron (Freedman 1951, zit. in ten Cate 1972).

Auch bei den Kelten und Germanen besaß die Schweinehaltung einen hohen Stellenwert, denn aufgrund der Fruchtbarkeit und der unproblematischen Aufzucht stellten Hausschweine eine sichere Nahrungsquelle und -reserve dar, wobei neben dem Fleisch auch das Fett der Tiere von großem Interesse war. Darüber hinaus ermöglichten Schweine als Allesfresser auch noch eine sinnvolle Verwertung der häuslichen Abfälle (Dannenberg 1990). Nicht ohne Grund galt das Schwein bei den Germanen als Symbol für Ernte- und Kindersegen und hatte bei den Kelten eine große Bedeutung in Mythologie und Religion (ten Cate 1972).

Bei den Germanen bestand eine Schweineherde gewöhnlich aus 25 - 30 Tieren mit 1 - 2 Ebern. Beaufsichtigt wurden die Herden von Schweinehirten. Die Leitschweine, meist alte, erfahrene Tiere, trugen Glocken um den Hals, damit sich der Aufenthaltsort der Herde im Wald leichter feststellen ließ (Benecke 1994). Weiterhin gewährleisteten akustische Signale aus dem Horn des Hirten den Zusammenhalt der Herde. Die Bedeutung der Signale erlernten die Schweine aufgrund ihres ausgezeichneten Lern- und Reaktionsvermögen schnell. In späteren Zeiten wurden auch Hütehunde zur Beaufsichtigung der Herden eingesetzt. (Freytag 1859-1865, in: Dannenberg 1990).


Waldweide: Hirte mit seiner Herde
 Sauerland ca. 1930 (Michels 1996)

 

Waldweide und Waldmast

Die herausgehobene Bedeutung des Schweins als Fleischlieferant bestand zumindest bis ins 15. Jahrhundert. (Krings 1976). Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte in weiten Teilen Europas die im Wald praktizierte Weidehaltung von größter Bedeutung gewesen sein (ten Cate 1972, Benecke 1994, Dannenberg 1990, Rösener 1991). Im Mittelalter wurden im Herbst zur Eichelmast bevorzugt die damals weit verbreiteten Mittelwälder aufgesucht, zu den übrigen Zeiten trieb man die Tiere in die Randbereiche der Niederwälder (Bonn & Poschlod 1998). In Gebieten mit günstigen klimatischen Voraussetzungen wurden die Tiere dabei das ganze Jahr über im Freiland gehalten.


Schweinehirt mit Stab und Knotenpeitsche
  (1556, aus Ten Cate 1972)

 

Welche große wirtschaftliche Bedeutung die Waldweide, insbesondere die im Herbst durchgeführte Waldmast mit Eicheln und Bucheckern in der Vergangenheit für die Schweinehaltung besaß, verdeutlichen folgende Zahlen: Ende des 16. Jahrhunderts wurden im Solling rund 15.000 Schweine gemästet, im Reinhardswald sollen bis zu 200.000 Tiere eingetrieben worden sein (Hamm 1976), der 60 km2 große Lushardwald bei Bruchsal bot in guten Mastjahren bis zu 20.000 Schweinen ausreichend Futter (Plochmann 1979). In den Fürstentümern Wolfenbüttel und Calenberg wurden 1598 über 30.000 zur Mast berechtigte Schweine gezählt (Timm 1960). Aufgrund der Knappheit an geeigneten Flächen und der deshalb hohen Mastpreise mußten die Schweineherden Distanzen von bis zu 100 km zurücklegen, um günstige Wälder zu finden (Ennen & Janssen 1979, zit. in Bonn & Poschlod 1998). Es verwundert somit nicht, wenn in vergangenen Zeiten der Wald nicht nach den Holzvorräten, sondern vielmehr nach der Anzahl der Schweine, die in ihn eingetrieben werden konnten, bewertet wurde.

 

Das Ende der Waldweide


Austrieb der Schweine - Leopoldshöhe, Kreis Lippe ca. 1920 
(Westfälisches Freilichtmuseum Detmold)

Die immer weiter um sich greifenden Waldrodungen im Mittelalter und in der Neuzeit hatten eine deutliche Verringerung der Schweinebestände in Mitteleuropa zur Folge (Dannenberg 1990). Als Folge der Waldvernichtung wurde nun in immer größerem Umfang Grünland und Ödland im Bereich der Allmenden durch Schweine beweidet, wobei als Schweineweiden feuchte Bereiche (nasses Auengrünland, Sümpfe) bevorzugt wurden (Himmler & Hünerfauth 1996).

Nach der Ernte trieb man die Schweine zur „Nachernte“ auf die Stoppeläcker. Sie standen in der Hierarchie aber hinter Rindern, Kühen und Schafen, die vor den Schweinen die Stoppeläcker beweideten. Nach der Beweidung durch die Schweine suchten noch die Gänse die letzten Erntereste auf. Die Nutzung der Brach- und Stoppeläcker dürfte in allen Dörfern stattgefunden haben. Im letzten Jahrhundert wurden zunehmend auch alternative Futterquellen, wie Abfälle, Kleie oder Spülicht aus Schnapsbrennereien zur Mast eingesetzt (ten Cate 1972).


Stoppelbeweidung im Herbst - Hameln 1956
 (Westfälisches Freilichtmuseum Detmold)

Mit der rechtlichen Abschaffung der Waldweide und der Auflösung der gemeinschaftlich genutzten Hutungen wurde dann im 19. Jahrhundert der Schweinehut im mitteleuropäischen Raum endgültig die Existenzgrundlage entzogen. Die im 19. Jahrhundert eingeführten intensiveren Verfahren des Ackerbaus mit höheren Erträgen waren die Voraussetzung für die Aufstallung der Tiere, welche wiederum die Grundlage für eine intensive Fütterung und schnellere Mästung der Schweine darstellt (Dannnenberg 1990). Nur Muttersauen und Zuchteber wurden bis in die 60er Jahre dieses Jahrhunderts noch in größerem Umfang auf Schweinekoppeln gehalten.

 

Literaturverzeichnis:
Benecke, N. (1994): Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Theiss, Stuttgart.
Bonn, S. & P. Poschlod (1998): Ausbreitungsbiologie der Pflanzen Mitteleuropas. Quelle und Meyer, Wiesbaden.
Dannenberg, H.-D. (1990): Schwein haben. Historisches und Histörchen vom Schwein, Fischer Verlag, Jena.
Hamm, F. (1976): Naturkundliche Chronik Nordwest-Deutschland.
Himmler, H. & K. Hünerfauth (1996): Schweineweiden und Landespflege. Nutzt oder verpaßt der Naturschutz eine Chance? Pollichia-Kurier 12(4): S. 150-154.
Krings, W. (1976): Wertung und Umwertung der Allmenden im Rhein-Maas-Gebiet vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. - Van Gorcum, Assen/Amsterdam.
Michels, B. (1996): Haus- und Nutztiere im Sauerland und Wittgensteiner Land in früherer Zeit. Grobbel Verlag, Schmalberg-Bad Fredeburg.
Plochmann, R. (1979): Mensch und Wald. In: Stern, H. (Hrsg.): Rettet den Wald. München.
Rösener, W. (1991): Bauern im Mittelalter. München.
Ten Cate, C.L. (1972): Wan god mast gift...- Bilder aus der Geschichte der Schweinezucht im Walde. Centre Agricultural Publishing and Documentation, Wageningen.
Timm, A. (1960): Die Waldnutzung in Norddeutschland im Spiegel der Weistümer. Bülau-Verlag, Köln.

 

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