Düppeler Weideschweine
in Bellersen

 

Der Typus des Deutschen Weideschweines ist Mitte der 60er Jahre ausgestorben. Im Rahmen einer möglichst zeitgenössischen Ausgestaltung des Museumsdorfes Düppel bei Berlin wurde im Jahre 1981 von dem Genetiker Prof. Dr. W. Plarre ein Rückzüchtungsprogramm für das mittelalterliche Weideschwein ins Leben gerufen. Seit Anfang der 90er Jahre existiert eine weitgehend homogene Gründerpopulation. Sie setzt sich aus etwa 40 % Wollschwein-, 33 % Wildschwein-, 19 % Rotbuntes- und 8 % Veredeltes Landschwein-Anteilen zusammen.

aus: Plarre (1996) verändert

 

Als wichtigste Zuchtziele des Düppeler Weideschweins gelten:

äußere Merkmale

mittelgroß, hochbeinig (marschtüchtig), langschädelig, Stehohren, Karpfenrücken, flachrippig, farbverschieden (ganzfarbig, rotbraun, graubraun bis schwarzbraun und gelb bis weiß gefleckt), starke Borsten besonders auf dem Rücken (Kamm), im großen und ganzen noch sehr wildschweinähnlich

Verhalten und Leistungsmerkmale

spätreif, fruchtbar (10 Ferkel und mehr), fürsorglich bei der Ferkelaufzucht (mütterlich), mastfähig (Fettansatz), robust, widerstandsfähig gegen Witterungsbedingungen (Hüttenhaltung), streßresistent, Zusammenleben in Großfamilie als Rotte

 

 

Hintergrund des Projektes
Da sich die heutige Landwirtschaft ebenso wie der Naturschutz in einer Krise befindet und vor allem ertragsarme Standorte, die aus Sicht des Naturschutzes meist von großem Wert sind, zunehmend aus der Nutzung fallen (LOSCH & DOSCH 1997) müssen diese, will man sie nicht zu Wald werden lassen, durch teure mechanische Pflege bei weitgehend leeren öffentlichen Kassen offengehalten werden (vgl. BEINLICH & PLACHTER 1995). Die Entwicklung alternativer Konzepte zur Offenhaltung der Kulturlandschaft stellt somit eine der größten Zukunftsaufgaben des Naturschutzes dar (vgl. KLEIN et al. 1997). Seit einiger Zeit wird versucht, Grünlandstandorte über extensive Beweidung, sei es durch Rinder, sei es durch Schafe, zu erhalten. Problematisch sind hierbei v.a. die Feuchtstandorte, da sie der Gesundheit der meisten modernen Haustierrassen nicht sonderlich zuträglich sind. Gerade diese Standorte sind jedoch z.B. die Flächen, die traditionell mit Schweinen beweidet wurden. Die Einsatzmöglichkeiten von Hausschweinen - also der Tierart, der aufgrund der Anzahl der gehaltenen Tiere aus landwirtschaftlicher Sicht die größte Bedeutung zukommt - wurde in der Landschaftspflege bisher nicht überprüft (vgl. HIMMLER & HÜNERFAUTH 1996, BEINLICH 1998). Dabei dürfte sich gerade diese Tierart für den Erhalt störungsgeprägter und für andere Haustierrassen problematischer Lebensräume (Auengrünland, Feuchtgrünland, Ackerbrachen, Truppenübungsplätze) besonders eignen, denn durch die Wühltätigkeit der Tiere werden ständig neue Nischen und Ausgangsstadien der Sukzession geschaffen!

 

 

1998 wurde von der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF) ein auf 10 Jahre ausgelegtes wissenschaftliches Begleitprogramm bewilligt, in dessen Rahmen die längerfristigen Veränderungen auf den extensiv durch Schweine beweideten Flächen in der Gemarkung Bellersen durch das Planungsbüro Bioplan (Höxter) dokumentiert werden. Vor dem Hintergrund der skizzierten Rahmenbedingungen sollen folgende Fragen vorrangig geklärt werden:

Sind Weideschweine grundsätzlich geeignet, brachgefallene landwirtschaftliche Flächen (Feuchtstandorte und Ackerbrachen) im größeren Umfang offen zu halten? Werden sich bei entsprechendem Beweidungsmanagement die aus der Sicht des Naturschutzes gewünschten ökoton- und strukturreichen Weidelandschaften einstellen?
Wie muss das Weidemanagement in Abhängigkeit von den Standortbedingungen gestaltet werden, damit die gewünschten Effekte für den Naturschutz optimal sind?
Welche landschaftsökologische Bedeutung haben die von den Schweinen geschaffenen Störstellen (Wühlbereiche, Suhlen) für Fauna und Flora in Abhängigkeit von verschiedenen Standortbereichen (feuchtes Auengrünland oder Brachäcker auf flachgründigen Böden) und Nutzungsintensitäten?
Welche Arten, Artengruppen, Lebensformen bzw. -strategien werden durch diese Nutzungsform gefördert?
Welche Vor- bzw. Nachteile hat die Landschaftspflege durch Schweine im Vergleich zu herkömmlichen Pflegevarianten und Beweidungsformen?

 

1999 wurde das Projekt durch das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben "Schweinefreilandhaltung im Rahmen der Landschaftspflege", gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) abgelöst. 

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

  F- & E-Vorhaben "Schweinefreilandhaltung
 im Rahmen der Landschaftspflege"

 

 

Der Standort Bellersen

Die Gemarkung Bellersen gehört zur Stadt Brakel und liegt im Kreis Höxter. In Bellersen sind zwei standörtlich unterschiedliche Flächen für die zukünftige Schweinebeweidung vorgesehen. Zum einen handelt es sich um frisches, örtlich auch feuchtes Grünland in der Aue der Brucht, zum anderen um eine meist flachgründige, ehemals als Acker genutzte Brachfläche auf dem Rücken des Schmandberges.

Die in Bellersen gehaltenen Tiere entstammen der Düppeler Gründerpopulation und wurden im November 1998 aus Mitteln der nordrhein-westfälischen Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege angeschafft, die auch die Kosten für die notwendigen Weideeinrichtungen übernommen hat. Die Schweine befinden sich im Besitz der Landschaftsstation Diemel-Egge-Weser in Borgentreich und werden in ihrem Auftrag durch den ortsansässigen Landwirt Markus betreut. Die Weideflächen wurden von der Stadt Brakel für dieses Projekt zur Verfügung gestellt.

 

 

Vorteile der extensiven Schweinefreilandhaltung

Die Schweinefreilandhaltung kann, wird sie extensiv betrieben, auch für den Naturschutz von großem Interesse sein, da die Tiere durch ihre Wühlaktivitäten die dichtwüchsige Grasnarbe aufreißen und auf diese Weise lichtliebende Tier- und Pflanzenarten fördern.

Als weitere Vorteile der extensiven Freilandhaltung von Schweinen sind zu nennen:

Wichtiger (Teil-)Beitrag zur Offenhaltung der Landschaft in den sog. peripheren Räumen
Förderung alter Haustierrassen
Schweine als "Fremdenverkehrsmagnet"
Artgerechte Tierhaltung

 

Literaturangaben
BEINLICH, B. (1998): Schweinefreilandhaltung als dynamischer Faktor. Ein Überblick zum aktuellen Kenntnisstand. - Naturschutz und Landschaftsplanung 30 (8/9): 263-267.
BEINLICH, B. & H. PLACHTER (1995): Nutzungsorientierte Schutz- und Entwicklungsstrategien für die Kalkmagerrasen (Mesobromion) der Schwäbischen Alb. - Landschaftspfl. - Quo vadis II: 25 - 55, Karlsruhe.
HIMMLER, H. & K. HÜNERFAUTH (1996): Schweineweiden und Landespflege. Nutzt oder verpaßt der Naturschutz eine Chance? - Pollichia-Kurier 12(4): 150-154.
KLEIN, M., RIECKEN, U. & E. SCHRÖDER (Hrsg.)(1997): Alternative Konzepte des Naturschutzes für extensiv genutzte Kulturlandschaften. - Schr.R. f. Landschaftspflege und Naturschutz 54: 310 S.
LOSCH, S. & F. DOSCH, (1997): Erwartete freifallende Flächen in der Landwirtschaft - Chance für eine naturnähere Landnutzung? - Sch.-R. d. Deutschen Rates für Landespflege 67: 28-36.
PLARRE, W. (1996): Kombinierte In-situ-Konservierung pflanzen- und tiergenetischer Ressourcen im Museumsdorf Berlin-Düppel. In: BEGEMANN, F., EHLING, C. & R. FALGE (Hrsg.)(1996): Vergleichende Aspekte der Nutzung und Erhaltung pflanzen- und tiergenetischer Ressourcen. Tagungsband  eines Symposiums vom 7. bis 9. Oktober 1996 in Mariensee, Band 5, Bonn.

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